Spielzeit 2021/2022 Corpus Delicti

Schuldig im Namen der Methode? Corpus Delicti nach Juli Zeh, Eigenproduktion der AG SSP

Die Methode beschreibt ein Rechtssystem, das die Grundsätze der Demokratie abgelöst und eine Gesundheits­diktatur etabliert hat. Oberste Priorität ist das Wohl des einzelnen Bürgers, der bereit ist, das biologische Leben zu sichern, und dazu vielfältige Überwachungsmaßnahmen der als unfehlbar gelten­den Methode akzeptiert. Die Protagonistin Mia Holl, eine naturwissen­schaftsüberzeugte Biologin mit Idealbiografie, trauert um ihren Bruder Moritz Holl, einen Genuss­men­schen und Lebe­mann, den sie liebevoll „Spinner“, „Träumer“ und „Freigeist“ nennt. Moritz hat sich im Gefängnis mit ihrer Hilfe unlängst das Leben genommen, denn ein Leben in Gefangen­schaft ist für ihn keine Option; des Mordes ange­klagt, mittels DNA-Test einer Vergewaltigung und des Tötungsdelikts für schuldig befunden und verurteilt, beteuert er bis zuletzt seine Unschuld. Wem soll Mia fortan glauben? Ihrem Vertrauen zu Naturwissenschaften, Forensik und Logik oder ihrem geliebten Bruder, denn sie so gut kennt? Die politische Sprengkraft hinter diesem Urteil und Mias emotionale Veränderungen veranlassen Heinrich Kramer, das Sprachrohr der Methode, sowie den Rechtsanwalt Dr. Lutz Rosentreter zu weiteren Nachfor­schungen. Mia lässt sich indes mehr und mehr gehen und wird zu einem gefundenen Fressen für Kramer und die Presse, da sie sich diverser Delikte schuldig macht, Meldepflichten und sich selbst vernachlässigt. In der Hauptverhandlung wegen ihrer Methoden­verstöße rollt Rosentreter den Fall Moritz Holl neu auf und kann ihn aufklären: Durch eine schon Jahre zurückliegende Knochen­markspende stimmt der genetische Fingerabdruck von Moritz mit dem des Spenders, den Rosentreter als wahren Mörder entlarvt, überein. Dass Mia beweisen kann, dass die Methode sehr wohl fehlbar ist, kann der Staat nicht auf sich sitzen lassen. Kramer demontiert sie in einem beispiellosen Indizienprozess, in dem Zeugenaussagen erzwungen, gekauft und Beweismittel gefälscht sind…

Die Methode als Gesundheits­diktatur erinnert sehr unangenehm an die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Die AG Schulspiel arbeitete schon 2,5 Jahre an der Bearbeitung des anspruchsvollen Stoffes; die Entscheidung, dieses Werk in eine Eigenproduktion zu verwandeln, wurde getroffen, bevor uns Corona einen Strich durch die Rechnung machte. Die Erarbeitung per Teams ersetzte nicht die live-Erfahrung. Und überhaupt durften wir erst ab dem Frühjahr 2022 uneingeschränkt proben, d.h. in Kontakt gehen, Mimik sehen, überhaupt gemischte Gruppen anbieten... Auch das Herstellen unserer Kulissen sowie eine Suche nach einer Auftrittsmöglichkeit verliefen unter Hochdruck und auch in den Ferien! Dass so viele Parallelen und Kritikpunkte aus „Corpus Delicti“ plötzlich so brutale Realität wurden, hatte sich keiner vorstellen können. Umso ungemütlicher stimmte uns schnell auch die Tatsache, dass viele der Kritikpunkte, die Juli Zeh ihre Figuren an der Methode äußern lässt, auf Querdenkerplakaten und in deren Parolen auftauchten. Wir distanzieren uns ausdrücklich von diesem Gedankengut, halten aber dennoch das Stück für einen zeitgemäßen, interessanten Stoff. Eine kritische, kontroverse politische Haltung und Multiperspektivität sind durchaus hohe und schätzenswerte Bildungsziele und damit auch Ziel von Theaterpädagogik; dennoch entschieden wir, den Fokus der Bearbeitung mehr auf das innere Dilemma Mia Holls zu richten und ihren Werde- bzw. Niedergang zu skizzieren. Aus dem zutiefst gesell­schafts- und staatskritischen Roman wurde ein zwar schon noch gesellschaftskritisches Konzept, jedoch mehr eine Charakterstudie einer Betroffenen. Das relativ unbefriedigende Ende des Romans – weder die Methode noch Mia Holl gewinnen wirklich – haben wir bewusst offener gelassen.

Die Corpora Delicti  2022

  • Solist                                                           Lisa-Marie Beck, FSJ
  • Erzähler 1                                                     Lisa Höchsmann, Q11
  • Erzähler 2                                                     Bernulf Holzknecht, Q12
  • Erzähler Rückblick 1                                       Nina Bayer, 10  
  • Erzähler Rückblick 2                                      Sarah Akbiyik, 10                          
  • Anwalt Dr. Lutz Rosentreter                            Colin Wilt, 8      
  • Staatsanwältin Dr. Johanna Bell                      Lena Brand, Q11
  • Richterin Dr. Ernestine Hutschneider               Joy Wilisch, 10
  • Richterin Dr. Manuela Hager                           Lara Cosman, 8
  • Richterin Sophie Kerner                                 Paula Herrmann, 9
  • Justizassistentin Simone Danner                    Elisabeth Dawidczack, Q11
  • Mia Holl (Prozess)                                         Amelie Badichler, Q11  
  • Mia Holl (Rückblickszenen)                             Anna Trisl, 9      
  • Mia Holl (Wohnung)                                       Yuna Kleiner, 8 
  • Die Ideale Geliebte                                        Xenia Igna, Q12
  • Moritz Holl                                                    Julian Hufnagel, Q12
  • Driss                                                             Trâm Nguyen, 10            
  • Lizzie                                                            Julia Brand, 10  
  • Die Pollsche                                                   Amy Blank, 10
  • Journalist Würmer                                          Natalie Schmidt, Q11
  • Methodenexperte Heinrich Kramer                  --- 9
  • Sibylle Meiler (Leiche)                                    Natalie Schmidt, Q11

Technik

  • Luca Krawietz 9 (Cheftechniker)
  • Jule Göttler, Q11
  • Mathea Zeller, 9
  • Laura Assum, 10
  • Oscar Rozwadowski, 8
  • Lukas Just, 8
  • Louis Bogendörfer, 8
  • Chiara Blaumeier, 9 , Requisite

Regie: Anna-Lisa Vorbrugg, Lisa-Marie Beck, Antonia Reineke, Annalena Fischer, Regina Kland (hauptverantwortlich)

Bildergalerie

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